„Das koloniale Auge“ Ausstellung / Artikel auf SPON

Albert Thomas Watson Penn: Toda Frau © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum

Via kwerfeldein.de bin ich auf die Fotostrecke zu Ausstellung „Das koloniale Auge“ bei SPON gestossen. Eine wirklich interessante Fotostrecke, gerade auch weil ich in Marokko vor kurzem eine ähnliche Ausstellung besuchte.

Die Fotostrecke zeigt eine Auswahl von sehr vielversprechenden und interessanten Exponaten der Ausstellung, den Artikel dazu allerdings finde ich gelinde gesagt suboptimal. Ich tue mich sehr schwer mit dem was dort geschrieben wird. Anhand der Wirkung von Fotografien auf den Autor selbst und dem was man vielleicht mal in der Schule über diese Epoche lernte, mal pauschal die Arbeit und Moral der Fotografen dieser Zeit abgewatscht und vor allem den Fotografien eine Aussage verpasst. Vollkommen ohne Einordnung von  Zeitgeist in damaliger Forschung, (fotografischer) Kultur und fotografischem Auftrag. Vorgeschoben wird der Kolonialismus als solches um das fotografische Handwerk dieser Epoche zu kritisieren.

Zum Beispiel waren Fotografien im Stil der „tableaux vivants“ waren zu dieser Zeit in Mode. Dies wirkt natürlich im Einklang mit dem Sujet auf uns heute grotesk. Heutzutage würde man in unserem Stil dokumentieren, mit lustig grinsenden Kindern aus der Süd See für die GEO und verhungernden aus Afrika für die National Geographic. Besser? Auf mich wirkt der Artikel sehr wie „ich kann nicht anders darüber schreiben weil es eine so verdammt schlimme Zeit war“, vielen Beispielen im Text wird so ein Stempel aufgedrückt. Eine Bildaussage die vielleicht so gar nicht gedacht war / ist. Vielleicht ist die Fotografie der Toda Frau einfach nur ein Portrait, ganz ohne die Hintergedanken die impliziert werden.

Mal ganz davon abgesehen das viele Fotos aufgrund der vorherrschenden Kamera- und Aufnahmetechniken schon von ganz alleine inszeniert, steif, ja auch manchmal verängstigt wirken. Ohne jetzt in Details verfallen zu wollen, aber extrem lange Belichtungszeiten, das Bildformat, die Objektive dieser Zeit und die Entwicklungstechniken prägen das Ergebnis gewaltig. Auch das ist zu beachten, Inszenierung ist hier nicht immer gleich „Propaganda“ sondern technische Voraussetzung. Wie ein Kommentator richtig schreibt „Viele Bilder aus der damaligen Südtiroler Bergwelt und das Leben der Bergbauern … wirken genauso ‚gestellt‘; eben weil es aufgrund der angewandten Technik nicht anders ging.„. Fotografien die heute mit derselben Technik gemacht werden, habe eine ähnliche Wirkung, immer noch.

Mit Sicherheit ist der Kolonialismus nicht eine der Vorzeige Epochen Europas. Wahrlich nicht. Und die Dokumentation der Kolonialisierten Länder ist stellenweise nach heutigen Massstäben sehr Menschenverachtung. Man erinnere sich an die Zurschaustellung Eingeborener, die sogenannte Völkerschau. Aber auch so etwas findet sich im kleineren Rahmen anlang jeder Tourismus Route heutzutage, ohne Probleme. Genauso wie romantisierende Postkartenmotive von Eselkarren fahrenden Olivenbauern aus Korčula. Meist ebenso inszeniert.

Ich sträube mich immer dagegen handeln von Menschen getrennt vom herrschenden Zeitgeist, ihrer Kultur zu sehen und zu werten und vor allem uns achso zivilisierte Europäer des 21. Jhdt. als moralisches Maß aller Dinge darzustellen. Vor allem sträube ich mich gegen pauschalisierende Urteile. Dokumentarfotografien unserer heutigen Zeit sind nicht minder geprägt von den Eindrücken der Fotografen vor Ort, sind sie nicht wertfreier, sie stellen Dinge nicht „echter“ dar und auch heute verfremden sie, entweder im Auftrag oder unbewusst. Egal mit welcher Intuition Fotoreporter losziehen, es gelingt nur wenigen neutrale Ergebnisse zu liefern. Sofern dies überhaupt möglich ist.

Komisch das in der Ausstellung in Marrakesch nicht so gewertet wurde, es finden sich viele ähnliche Fotografien dort. Im Gegenteil, die dokumentarische und fototechnische Arbeit der zumeist europäischen Fotografen wird dort doch recht wertgeschätzt und erstmal getrennt dokumentiert. Und Marokko ist nun wahrlich ein Land das seinen Teil Kolonialismus abbekommen hat.

Die, wohl sehr empfehlenswerte, Ausstellung „Das Koloniale Auge. Frühe Porträtfotografie in Indien“ ist im Museum für Fotografie in Berlin vom 20. Juli bis 21. Oktober zu sehen. Das Museum für Fotografie findet ihr auch bei Facebook. Den Bildband zur Ausstellung kann man bei Amazon hier vorbestellen.

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